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  • vinylfreak

Platten bügeln, Sound plätten!

Updated: Dec 16, 2023

Ein Freund von mir hat dieses wunderbare Foto gemacht:

Record grooves in high resolution.

Mal abgesehen davon, dass ich nie verstehen werde, wie in diesen Rillen dann ein ganzes Orchester Platz hat (ja, ich kenne die Erklärung, aber erklärt die denn wirklich was?), diese filigranen Rillen, sollen dann bei einer welligen Platte mit Hitze und Druck behandelt werden?

Warum nicht gleich wegwerfen?


Mir fehlt da Erfahrung, aber aus audiophiler Sicht hört sich das an wie ein Gewaltverbrechen.

Bzw. eine Möglichkeit, für Geld minderwertige Platten in Umlauf zu bringen.


Wir hatten hier nur eine einzige Scheibe, die gebügelt worden ist, die Led Zeppelin "Physical Graffiti". Die klang scheiße, wie ein schlechtes MP3, keine Bässe, irgendwie hohl.

Die ist auch noch hier, ich würde sowas nicht wieder in den Umlauf geben und das Cover schmückt jetzt das Gästezimmer, ist ja Kult. Jedenfalls so konnten wir die also im direkten Vergleich hören mit einer Nachgekauften von der gleichen Ausgabe, der Fall scheint sonnenklar:


Bügeln ist Klangmord


Natürlich, es gibt verschiedenste Verfahren, vom Fön bis zum Backofen. Natürlich können Sie auch hier wie beim Plattenwaschen tausend Euro ausgeben und sich die amtliche Bügelmaschine zulegen.

Aber das Prinzip ist letztlich immer das gleiche:

Das thermoplastische Vinyl erhitzen und dann zwischen geraden und glatten Flächen pressen, bis es wieder kalt ist.

Mich schaudert's bei dem Gedanken.


Jetzt sind aber solche Verformungen doch nicht zwingend thermisch entstanden. Zeit, Druck, falsche Lagerung, müssen da doch irgendwie Faktoren sein, hätte ich jedenfalls gedacht.


Und weil die Deep Purple "Made in Japan" so selten mal hier in einem guten Zustand strandet (ist ja eine Partyplatte) und ein Kumpel die sehr gern hätte, habe ich also ein Experiment gemacht. Und zwar bei einer, die übelst verformt war, unspielbar, aber optisch quasi ungespielt.


Da habe ich also einen Spiegel drunter gelegt, das war so die geradeste Fläche, die ich gerade zur Hand hatte, und dann diesen recht schweren Holztisch drauf.

A coffee table turned upside down.

Das ganze habe ich, ich weiß es gar nicht mehr, sechs oder acht Wochen so stehen gelassen.

Veränderung?

Null! Nix, gar nix.

Druck allein scheint's nicht zu sein.


Dann habe ich gedacht, besser als heiße Luft ist vielleicht heißes Wasser. Irgendwie fühlte sich das sanfter an.



Ich habe mir also Dichtscheiben für Label besorgt.

Ich will gar nicht wissen, warum es die eigentlich gibt ..., aber dicht sind sie.

Und also die Platte dann in heißes Wasser eingelegt. So lange, bis das Vinyl deutlich weich wurde, das waren nur ein paar Minuten.


Auch das funktionierte leider nicht:

Das Vinyl gibt die Hitze extrem schnell wieder ab. Soll heißen, bis ich die unter Druck hatte, war sie schon wieder erkaltet.


A vinyl record immersed in water.

Das hat also nicht funktioniert mit dem heißen Wasser.


Und warum das dann mit Fön funktionieren sollte, erschliesst sich mir nicht. Das müsste ja das gleiche Problem sein.

Wobei eine Schallplatte fönen, dann wird die ja unterschiedlich warm, zu heiß an der einen, zu kühl an der anderen Stelle. Das habe ich also gar nicht erst ausprobiert.




Ich habe es aber abschließend dann noch mit der am häufigsten beschriebenen Technik versucht, also zwischen Glasscheiben im Ofen.

A bowl made from a vinyl record.

Übrigens die gleiche Technik, mit der man auch diese wunderbaren, allseits total beliebten Vinylschalen herstellen kann ...


Jedenfalls, ja, das klappt.

Mit dem zu erwartenden Ergebnis, eine platte Platte ohne Bässe.

Für meine Ohren ist das Schrott.


Mehr Details dazu finden Sie im Netz.

Es gibt verschiedene Temperaturangaben, und allerlei Techniken, wie genau man mit diversen Thermometern dafür sorgt, dass es nicht zu heiß wird.

Ich bleibe dabei, das kann man machen, wenn man verbogene Platten verscherbeln will. Vielleicht auch mal bei einer ganz Seltenen, die man unbedingt für lau in der Sammlung haben will. Vinyl und sein Klang werden durch das Bügeln jedenfalls nicht bewahrt bzw. wiederhergestellt.

Und ich glaube auch nicht, dass das Ergebnis einer professionellen Bügelmaschine ein anderes sein dürfte, zu dieser Annahme gibt es keinen Anlass.


Für mich steht also fest:

Platten bügeln = Sound plätten


Interesssant als Ergebnis dieser Experimente für mich, der Bass steckt also offenbar im oberen Bereich der Rillen, denn dort dürfte ja die Verformung durch das Bügeln am größten sein. Wenn man nämlich genau darauf achtet oder wie ich bei der zweiten Scheibe experimenthalber mal mit deutlich zu hoher Temperatur arbeitet, die Platte dehnt sich aus. Das merkt man gut am Loch, das sitzt dann fester auf der Spindel. Eine Platte wird also tatsächlich "flach".


Auch das kann man sicher irgendwo nachlesen, also wo in der Rille die Pauke und die Tuba sind und wo die Geigen und die Becken des Orchesters.

Für mich ist das Thema "Bügeln" jedenfalls erledigt. Ich würde auch keine noch so wertvolle gebügelte Platte wieder in den Umlauf geben. Und behalten würde ich sowas auch nicht wollen.


Zu den Vergrößerungsfotos:

An dieser wie an anderen Stellen finden Sie solche stark vergrößerten Aufnahmen.

Record grooves in high resolution.

Der Oliver hat mir erklärt, wie das Prinzip ist:

Ein Zoomobjektiv an der Kamera und ein normales. Das letztere wird umgedreht und die beiden Objektive werden mit Klebeband miteinder verklebt, es muss fest und natürlich auch lichtdicht sein.



Diese Konstruktion muss dann irgendwo sehr bewegungsfest montiert werden, bewegt wird nur das zu fotografierende Objekt.

Dann bekommt man diese herrlichen Bilder von den Rillen. Oder solche von verdreckten und gereinigten Nadeln, wie ich die beim dringend empfehlenen Plattenwaschen eingefügt habe.

Das Orchester muss aber wohl noch viel kleiner sein, man kann es bei dieser Vergrößerung jedenfalls noch nicht sehen.

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