top of page
  • vinylfreak

Platten waschen, warum, wie und womit?

Updated: Jul 17, 2023


The inside of a dish washing machine when running, water fountain.

Ein Château Pétrus auf dem Tisch macht noch lange keinen Rotweinkenner.

Oft scheint Unkenntnis oder gar einfach nur Snobbismus eine Rolle zu spielen.


Wer Platten nicht wäscht, ist für mich für HiFi Komponenten jedenfalls so wenig ein Experte wie der Weinkenner, wenn er mir zum teuren Rotwein Tiefkühlpommes serviert.


Warum ich das so markig behaupten kann?

Weil ich auf meiner wahrlich mittelmäßigen Anlage und mit arg strapazierten Punkrocker-Ohren den Unterschied vor und nach dem Waschen deutlich hören kann. Mit einer Aufnahme lässt sich das sogar so dokumentieren, dass es jemand anderes im Blindversuch heraushört.

Verbesserung gibt bis zum dritten Waschen.

Das gleiche gilt übrigens auch für pressfrische Platten. Es wird heute halt leider viel gehuddelt beim Vinyl. Mehr dazu erfahren Sie unter anderem hier.


Jetzt ist es beim Platten Waschen wie bei HiFi-Komponenten, the Sky is the Limit. Sie können also eine Tausende Euro teure Plattenwaschmaschine kaufen.

Und wahrscheinlich erreichen Sie mit einer Ultraschallmaschine, am besten noch mit Absaugung, locker und schneller das gleiche Ergebnis, das ich erst nach dreimaligem, manuellem Waschen erreiche. Vielleicht ist es dann sogar tatsächlich noch viel, viel besser. Wie der Pétrus ja auch zweifelsfrei besser sein dürfte als ein Rotwein von der Ahr.

Aber hören Sie das wirklich? Oder glauben Sie es einfach nur?


Mich interessiert hier die technische Seite des Optimierungswahns aus einem einfachen Grunde ohnehin recht wenig:

Platten Waschen ist für mich ein Ritual. Oder, vielleicht besser, eine Art Meditation. Etwa so, wie wenn Beverly Crusher ihre Orchideen schneidet.

Beverly Crusher TNG, a woman in pink nightgown drinking a glass of champaign.

Nur trinke ich halt keinen Synthehol. Aber sonst ist's schon irgendwie vergleichbar.


Das mache ich also zur Entspannung als Teil meines Hobbies. Das Geräusch einer Maschine würde mich dabei einfach nur erheblich stören, deswegen habe ich mich damit nicht näher beschäftigt.


Ich nutze also eine manuelle Knosti.

Die ist einfach zu bedienen. Alle Verschleiß-Komponenten sind austauschbar, es gibt also frische Bürsten, wenn nötig neues Filterpapier (wobei man das einfach ausspülen kann) und dann und wann, nach Hunderten von Platten, auch mal neue Labelscheiben. Alles einzeln und alles für wenig Geld.

Knosti manuelle Plattenwaschmaschine, Record washing machine and vinyl records on a table.

Zwei Sachen bedürfen hier unbedingt der Erwähnung:


Knosti versteckt die noch aus den Siebzigern stammende und preisgünstigste erste Maschine auf der Webseite ein bisschen. Man soll wohl, wenn schon nicht die teure Elektrische, wenigstens die "Generation II" kaufen.


Ich rate davon ab. Einmal bringt die Kurbel genau nichts an Erleichterung. Vor allem aber sind die Gewinde der Labelscheiben dünner, das leiert einfach schneller aus.

Kaufen Sie die erste Generation.



Die andere Sache betrifft die Magic Mixture, also das Reinigungszeugs. Das ist nämlich so unverhältnismäßig kostspielig wie auch diese legendäre Sammlerplatte, die nur wegen dieser Geschichte überhaupt bei mir hängen geblieben ist.

Sie ahnen das ja vielleicht schon:

Man kann das Reinigungsmittel einfach selber mischen.

Dazu brauchen Sie zwei Drittel destilliertes Wasser und ein Drittel Ethanol. Nicht das zum Saufen, das kostet wegen der Steuer, sondern vergälltes, also welches beispielsweise für einen Ethanolofen. Dazu kommt ein Spritzer farb- und geruchsloses Spüli. Sowas gibt's in jedem Drogeriemarkt.

Dann liegen Sie pro Liter bei zwei oder drei Euro statt bei Fünfzehn.


Irgendwer Kluges im Netz hat in irgendeinem Blog von diesen ganz besonders Klugen mal behauptet, das selbst Gemischte trockne langsamer als die Originallösung. Ich habe nicht die Zeit zum Vergleich gestoppt, gemerkt habe ich jedenfalls nichts. Da es eine Menge Faktoren gibt, die die Trockenzeit beeinflussen, halte ich die Aussage für Unsinn. Der stand ja sowieso recht sicher auch nicht mit der Stoppuhr daneben ...


Tatsächlich etwas schneller geht es, wenn man statt Ethanol mit Isopropanol arbeitet. Aber, was soll das?

Das Zeug stinkt zum Himmel und ist teurer. Es geht auch eindeutig mehr auf die Birne, schließlich war das das Schnüffellösungsmittel in den Eddings in den Achtzigern ... Vor allem aber ist es Wassergefährdungsklasse IV. Das kann man nicht einfach mal eben in den Ausguss gießen!

Als jemand mit Arbeitserfahrung in der Chemieindustrie darf ich Ihnen allerdings versichern, dass Sie die verbrauchte Ethanolbrühe so beruhigt in den Ausguss gießen können wie ihre Plastikverpackungen einfach in den Hausmüll geben: Die gesetzliche Recyclingquote ist 36%. Im Gegensatz zu Plastik, das dann eben doch verbrannt wird, ist Ethanol in kleinen Mengen so abbaubar wie Bio-Spüli, punctum.


Das Vorgehen:

Record washing machine and vinyl records on a table.

Drehen Sie die Labelscheiben fest und hängen die Platte in die Maschine. Ich drehe die dann am oberen Rand etwa zehn Züge (also nicht Runden) in die eine und zehn Züge in die andere Richtung. Dann warte ich einen Moment und mache das ganze nochmal.



Wichtig ist nach dem Herausnehmen das Abtropfen. Da braucht es etwas Geduld. Ich drehe die Platte dabei ein paar Mal ein bisschen. Dann läuft nämlich auch die Flüssigkeit ab, die sonst oben am Labelschalenrand stehen bliebe. Das verringert die Wahrscheinlichkeit, dass Flüssigkeit auf die Label läuft.

Aber, keine Sorge, ich habe hier schon verschimmelte Platten aus Flutschäden gewaschen, alte Label halten überraschend viel aus. Wie übrigens auch Cover. Bei neuen Labeln ist das manchmal etwas anders, die Materialien sind im Schnitt halt einfach schlechter heutzutage.


Wenn dann die Platten im Ständer stehen, müssen sie gut trocknen.

Unten an den Berührungsstellen zum Trockengestell bleibt manchmal etwas Flüssigkeit hängen, weswegen man recht lang warten muss. Dieses Problem umgehe ich, indem ich die Platten auch im Ständer nach einiger Zeit einmal kurz anhebe und zwei, drei Zentimeter drehe, dann läuft das besser ab.

Ist eine Platte nicht richtig getrocknet, sieht die beim nächsten Mal, wenn Sie die aus dem Sleeve ziehen, ganz furchtbar aus. Also vorausgesetzt Sie nutzen wie ich neue, gefütterte Sleeves, was ich Ihnen dringend empfehle: Altes Papier rauht auf, alte Innenhüllen ohne Futter sind wie Schleifpapier.

Der Platte macht das schlechte Trocknen übrigens nichts, sieht halt nur schlimm aus. Einfach nochmal waschen.


Wie gesagt, ich wasche gewöhnlich drei Mal.

Vor allem bei Raucherplatten ist es echt verblüffend, der alte Kneipengeruch schlägt einem erst beim zweiten Mal so richtig entgegen.


Die Klangverbesserung ist immer enorm.

Das erste, was man hört, ist eine deutliche Reduzierung des Hintergrundknisterns nach dem ersten Waschen. Und danach quasi so gut wie jedes Mal eine unbestreitbare Klangverbesserung.

Als wir das alles noch nicht wussten, ich schwöre, wir haben die überaus audiophile "Tales of Mystery and Imagination" tatsächlich fünf mal "neu" gehört. Nach jedem Waschen waren da im Hintergrund plötzlich Geräusche drauf, die vorher einfach nicht da waren. Und dann haben wir ja noch am Plattenspieler gefummelt und auch da mit minimalem Aufwand erhebliche Klangverbesserung erreicht. Es kam jedes Mal noch deutlich mehr aus den alten Boxen ... und seitdem bin ich irgendwie Vinylfreak.

Und um zu verhindern, dass ich mir einfach nur etwas einbilde, wir haben das wie schon gesagt dokumentiert, indem wir ein Stück halt vier Mal aufgenommen haben. (Zum Aufnehmen finden Sie hier etwas.) Es ist wirklich verblüffend.


Probieren Sie's also mal aus. Man lernt dabei quasi automatisch einen Aspekt des Feinhörens.

Bei audiophil aufgenommenen und abgemischten Platten, versteht sich. Bei dem Blauen Album der Beatles reicht einmal Waschen, um das Staubknistern zu minimieren, mehr ist auf dieser Schrottpressung und bei dieser ohnehin gruseligen Studioarbeit da einfach nicht drauf.


Nochmal zum Mitschreiben:

Das bringt es auch bei vielen Neupressungen. Ja, tatsächlich, auch das mehrfach Waschen. Oder halt das Ultraschallbad und die Absaugung mit dem Geräusch eines Düsenjets.

Am deutlichsten war das für uns bei der Neupressung der Red Hot Chilli Peppers "Californication". Die klang erst wie eine Blechbüchse, null Dynamik und überhaupt keine Bässe.

Da hat sogar das vierte Waschen noch den entscheidenden Unterschied gemacht. Entscheidend insofern, als dass uns das jetzt so reicht und wir also nicht Unsummen für eine frühe Pressung ausgeben müssen. Bei der Musik und der Art der Abmischung kann da so viel mehr ja auch gar nicht drauf sein ...


Als Fazit sozusagen:

Wenn es also tatsächlich auch für Neupressungen gilt, dann gilt es eben auch für Ihre Platten. Selbst wenn Sie die vor hundert Jahren mal neu aus dem Laden getragen und immer pfleglich behandelt haben.


Ich habe mal so einem Ungläubigem, einem guten Freund, eine Knosti gekauft mit der Ansage, dass wenn er nicht zufrieden ist, er mir die auch nicht bezahlen muss. Der hat eine etwas eindrucksvollere Anlage als ich.

Der hat also dann hübsch brav seine über 1.000 Platten gewaschen ...


Aber, das also jetzt mal zum Waschen, tun Sie's einfach!

Comentarios


Los comentarios se han desactivado.
bottom of page