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Record Player Needle

vinylfreak

Der Plattensammler

Es war einmal, und das ist noch gar nicht lange her, jemand, der trotz seines Alters noch ganz gut hören konnte. Dem war aufgefallen, dass Musik von sogenannten Schallplatten ihm lieber war als von CD oder aus dem Computer, wie es heute ja eigentlich normal ist.
Dafür, dass ihm das trotzdem lieber war, gab es für den Mann eine ganze Menge von Gründen, die aber mit unserer Geschichte jetzt nicht so viel zu tun haben.

Es war ein netter Mann mit viel Zeit und wenig Geld. Nicht, dass ihn das gestört hätte, er hatte ja alles, was er zum Leben brauchte. Aber Schallplatten wurden schon lange nicht mehr hergestellt, so dass sie oft recht teuer waren. Obwohl die so alt waren, oder vielleicht genau deswegen, es gab da einfach viele Leute, die die haben wollten.
Deswegen suchte der Mann immer mal wieder nach günstigen Sammlungen, also wo jemand einfach seine vielen alten Schallplatten schnell loswerden wollte und sich nicht darum kümmern wollte, sie für viel mehr Geld einzeln zu verkaufen.
So eine Sammlung zu finden gelang dem Mann aber selten. Weil viele andere suchten ja auch nach sowas. Oft wurden auch Sachen als Sammlungen angeboten, die gar keine waren, sondern einfach Ansammlungen von schlechten Platten, die sich einzeln gar nicht mehr verkaufen ließen. Schlecht konnte da heißen, dass sie schon sehr viel gespielt worden waren und deswegen keinen schönen Klang mehr hatten. Oder es war einfach langweilige Musik drauf, die niemand mehr hören wollte. Oft war es sogar beides, schlechte Platten mit langweiliger Musik.

Einmal aber fand der Mann eine Sammlung, die echt und interessant schien. Da war jemand durch einen Sturm Wasser in den Keller gelaufen und die Platten waren deswegen alle nass geworden. Da musste man die Hüllen wahrscheinlich wegwerfen, die waren nämlich aus Papier. Was aber sehr schade war, weil die Hüllen waren oft so etwas wie kleine Kunstwerke mit aufwändiger Gestaltung und schönen Bildern.
Was übrigens einer der Gründe war, warum der Mann Schallplatten CDs vorzog. Schallplatten waren zwar auch rund und flach wie CDs, aber viel, viel größer als CDs und deswegen konnte man die Bilder auf den Hüllen viel besser sehen. Sogar wenn man die auf ein Regal stellte aus einiger Entfernung, das war dann noch immer irgendwie schön. Fand der Mann.
Nun ja, bei dieser Sammlung wollte der Besitzer aber für seine 500 Platten noch immer 300 Blechdukaten. Das war viel für den Mann und weil man ja gar nicht wusste, was genau das für Platten sind und ob die überhaupt noch gut spielen würden, hatte er Sorge, dass er am Ende viel Aufwand machen würde und viele Dukaten hinlegen und aber gar nichts davon hätte. Keine schönen Bilder, keine schöne Musik und womöglich auch nichts, das er weiter verkaufen könnte, um so wenigstens sein Geld wiederzubekommen.
Aber, er schrieb dem Mann, dem die Sammlung gehörte, all das und noch ein bisschen mehr. Dabei erklärte er natürlich auch, warum ihm „Vinyl“, so heißt das schwarze Material, aus dem Schallplatten hergestellt wurden, am Herzen liegt und dass also der Besitzer der Sammlung bitte die Platten auf überhaupt gar keinen Fall wegwerfen sollte, falls ihm die niemand abkauft.


Eine Antwort bekam er nicht und irgendwann hatte er das auch wieder ganz vergessen. Da plötzlich kam an einem Morgen ganz unerwartet ein Anruf. Der Mann hatte dem Sammlungsbesitzer nämlich seine Telefonnummer verraten. Der Sammlungsbesitzer sagte, dass niemand Geld geben wollte für die Platten und wegen der Zeit die Hüllen, die man unter Plattenkundigen auch „Cover“ nannte, mittlerweile wirklich alle ganz zerfleddert und sogar schimmelig waren. Und weil der Mann so nett geschrieben hatte, könnte er das jetzt alles einfach geschenkt bekommen. Wenn er das denn überhaupt noch wollte?
Und ob er das wollte!

Da holte der Mann dann also mit großer Freude eine ganze Wagenladung von ziemlich übel riechenden und aneinander klebenden Schallplatten bei dem Sammlungsbesitzer, der ein netter, noch viel älterer Mann war. Und das waren auch tatsächlich alles seine Platten gewesen, eine richtige Sammlung also.
Der Mann, der so gerne Schallplatten hörte und viel Zeit hatte und wenig Geld, beschäftigte sich die kommenden Wochen dann damit, die Platten vorsichtig, man musste da ganz vorsichtig sein, damit das Vinyl nicht verkratzt, aus ihren Hüllen zu lösen und erst einmal einzeln unter dem Wasserhahn abzuwaschen. Die waren nämlich sehr verschmutzt von dem Sand in dem Flutwasser. Außerdem klebte oft Papier von den Hüllen, den Covern, daran.
Manchmal war leider gar nichts mehr zu retten. Damit man die Platten erkennen konnte, wurde nämlich in der Mitte extra ein Papier aufgeklebt, wo der Name der Platte drauf stand. Das war wichtig, sonst konnte man die ja gar nicht unterscheiden, das sind ja alles so schwarze Scheiben. Die sehen einfach alle gleich aus ohne Beschriftung. Und weil die Platten so lange nass gewesen waren, war dieses Papier, das so rund wie die Platte war, nur eben kleiner und in der Mitte aufgeklebt, leider oft kaputt und man konnte es nicht mehr lesen, was da mal draufgestanden hatte.

Aber bei vielen Platten war das Papier, das die Plattenexperten meistens das Label nannten, noch ganz in Ordnung.
Und bei solchen Platten, wo etwas Interessantes draufstand, für die hatte sich der Mann extra eine Plattenwaschmaschine gekauft. Damit man die richtig sauber bekommen konnte, das war nämlich wichtig. Sonst konnte man die nicht gut hören, Schmutz störte da einfach beim Abspielen.
Und da fand der Mann dann auch ein paar Schallplatten, die er sehr gerne hörte und deswegen auch ohne die schönen Bilder der Hüllen für sich behalten wollte. Darunter waren seltene Platten, die er schon immer gern haben wollte, die ihm zum Kaufen aber viel zu teuer gewesen wären. Und auch welche, die er gar nicht kannte, also von Musikern, die er nur durch diese Sammlung von dem noch älteren Mann überhaupt erst entdeckt hatte.
Das war schön, und der Mann freute sich sehr. Weil die viele Arbeit, das hatte er ja gern gemacht, weil er so viel Zeit hatte und aber eben auch so wenig Geld. Irgendwie wurde da so eine Platte viel mehr wert, als wenn er sie einfach gekauft hätte. Es war dann wirklich „seine“ Platte. Das war ihm viel lieber. So in etwa wie ein Kuscheltier, das man schon ganz lange hat. Das wird den meisten Kindern ja auch immer lieber.

Manchmal waren auch Platten dabei, die der Mann nicht für sich behalten wollte, obwohl sie nach dem Waschen noch gut spielten und auch die Label noch gut zu lesen waren. Aber die wollte er natürlich nicht wegwerfen. So viel Arbeit, und etwas Altes, das funktioniert und das auch nicht mehr neu gemacht wird. Das hätte er traurig gefunden.
Also bot er solche Platten zum Verkauf an, obwohl er dachte, dass ohne die Bildhülle, das Cover, die ja bestimmt niemand mehr haben wollen würde, egal wie billig er die verkaufen würde.
Aber einmal meldete sich jemand aus Amerika. Amerika, das ist ganz weit weg. Das kann man sich gar nicht vorstellen, wie weit. Viel weiter als bis zur Oma jedenfalls und man musste dorthin ganz lange mit dem Schiff fahren oder viel Geld ausgeben für einen Flug. Was dann die Greta traurig gemacht hätte. Das ist aber eine andere Geschichte.
Jedenfalls, der Mann aus Amerika, der war ganz glücklich. Diese Platte war nämlich sehr selten und deswegen mit der Hülle normalerweise sehr teuer. Und der Mann in Amerika hatte auch viel Zeit und wenig Geld. Aber das Beste war, er hatte die passende Hülle zu der Platte! Seine Platte war ihm vor langer Zeit einmal kaputt gegangen, aber er hatte die Hülle trotzdem behalten, weil er die Platte so gern mochte. Und so bekam er jetzt eine funktionierende Platte, die genau zu seiner Hülle passte.

Das war schön, beide Männer haben sich da ganz doll gefreut.

Und dann, ganz selten, gab es auch mal so eine Hülle, die der Mann noch retten konnte. Retten hieß, ganz vorsichtig sauber machen, und dann so trocknen, das sie nicht so wellig wurde, dass die Schallplatte gar nicht mehr gut hinein passte. So eine Hülle war ja aus Papier, das kannst Du mal ausprobieren, wenn das nass wird, ist es nach dem Trocknen nicht mehr so glatt. Der Mann hatte sich dafür etwas ausgedacht, aber auch das ist dann schon wieder eine andere Geschichte.
Es gab aber eben aus der Sammlung von dem noch älteren Mann, wo das Wasser in den Keller gelaufen war und wo dann die Schallplatten alle nass geworden waren, ein paar Schallplatten, wo die Beschriftung der Platte noch in Ordnung war, die Platte nach dem Saubermachen gut funktionierte und obendrein die Hülle, das Cover, noch ihr schönes Bild hatte und die Platte sogar auch noch gut hineinpasste, weil der Mann mit seiner guten Idee es geschafft hatte, dass das Papier nach dem Trocknen noch einigermaßen glatt war.
Und da war eine dabei, die dem Mann von der Musik nicht so gut gefiel, dass er sie behalten wollte, und deswegen wollte er die also verkaufen. Und, kannst Du dir vorstellen, das war ausgerechnet eine ganz besondere Platte! Ausgerechnet diese Platte wollten viele Menschen mal hören, und es gab sie aber nur noch ganz wenig, weil sie ganz alt war. Und da freute sich jemand, dass er die kaufen konnte, der nicht so viel Zeit aber dafür etwas mehr Geld hatte. 200 Blechdukaten gab er dem Mann dafür, dass er die sauber gemacht hatte, und, so dachte der Mann das, gerettet hatte.

Und so waren am Ende also viele Menschen sehr zufrieden.
Der noch ältere Mann, weil er seine Platten, die er früher einmal sehr geliebt hatte, bevor er sie in den Keller gestellt hatte, nicht wegwerfen musste. Das hätte ihn nämlich traurig gemacht.
Und unser Mann natürlich, weil er jetzt ein paar neue Platten hatte, die er gern hörte. Und natürlich auch, weil er sogar ein bisschen mehr Geld hatte als vorher. Und aber eben auch, weil seine Mühe, die Platten alle sauber zu machen, auch noch zwei andere Menschen froh gemacht hatte, die sich auch ganz doll bedankt haben bei ihm.

Ja, so kann das manchmal gehen, wenn Menschen einfach das geben, das sie leicht geben können und das tun, das sie gern tun. Dann sind am Ende manchmal viel mehr glücklich und froh als vorher.
Und wenn man seine Sachen gern hat, dann braucht man auch nicht immer neue Sachen. Was dann die Greta froh macht. Was aber wieder eine andere Geschichte wäre.
Unsere Geschichte hier ist jetzt aber zu Ende und obwohl das ja doch eigentlich blöd war mit dem überfluteten Keller, hat sie sogar ein Happy End.
Vintage Lamp Radio
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