Wer zu meiner Generation gehört, dürfte auf den Partys in der Jugend wohl auch exzessiv zur Live-Version von "Smoke on the Water" die Luftgitarre gespielt haben.
Von allen Live-Scheiben aus dieser Zeit, die ich kenne, hier haben wir ein Paradebeispiel dafür, dass ein sauberer Live-Mitschnitt, ganz anders als bei der unsäglichen Queen "Live Killers" auch damals schon möglich war, und dass man den, bei entsprechender Aufnahmetechnik, auch so abmischen kann, dass er so gut klingt wie eine Studioaufnahme. Die Klangqualität und Abmischung dieser Scheibe steht dafür als ein Zeugnis.
Ich erkläre mir das übrigens so, dass eine international bekannte Hardrock-Band in Japan damals etwas wirklich Besonderes gewesen sein muss. Das ist ja vor den Billigflügen, eine kleine Sensation sozusagen. Da haben die Japaner einfach alles eingesetzt, das ihnen zur Verfügung stand, die beste Technik und die besten Leute.
Nicht umsonst gab es in der Folge Live-Scheiben, die unbedingt etwas mit Japan im Titel nennen mussten, von der "Tokio Tapes" der Scorpions (einst auch eine Hardrock-Band) über das quasi Zitat von Iron Maiden mit der "Maiden Japan" bis hin zu Judas Priests "Live in Japan".
Jedenfalls, diese Scheibe ist also sagenhaft vom Klang.
Weil so viel Luftgitarre auf lauten Parties gespielt wurde, gibt es die zwar oft, aber ich habe hier ensprechend überwiegend immer nur recht verranzte Scheiben in den Händen gehabt ...
Es gibt so ein paar Platten, die einen hohen Verschleiss hatten, die mussten einfach immer dabei sein. "Partyplatte" ist sicher ein Begriff, den man statistisch auf einige anwenden kann. (Die AC/DC "Hells Bells" gehört zum Beispiel sicher auch dazu.)
Kleiner historischer Exkurs für die Jüngeren:
Denken Sie eine Welt ohne Internet und ohne Speichermedien, von umständlich zu spulenden Kassetten abgesehen. Eine Welt, wo die zwanzig Mark für eine gute Scheibe an Kaufkraft heute vielleicht sechzig Euro entsprachen und, auch das nicht unwesentlich, wo man nicht problemlos jede Scheibe zu jedem Zeitpunkt mal eben so kaufen konnte. Ihr Plattenladen hatte die oder eben nicht (mehr).
Wenn Sie da also eine Party machen wollten, dann mussten Sie wohl oder übel auch Leute einladen, die die richtigen Platten mitbrachten ... also genug Geld dafür hatten und wach genug waren, nicht nur die ABBA zu kaufen, die hatten ja viele ...
Heute denke ich an die vielen Parties, wo ich eingeladen war, aber mit den Leuten gar nicht wirklich was zu tun hatte ...
Und damit erklärt sich übrigens auch, zumindest als ein Faktor, warum heute die meisten Singles aus dieser Zeit in einem so beklagenswerten Zustand sind.
Aber nicht nur vom Klang her ist die "Made in Japan" für eine Live-Scheibe sagenhaft. Ich traue mich zu sagen, dass es sicher keine bessere Live-Aufnahme von Purple gibt. Alles ist perfekt, und der Spielwitz sprüht geradezu aus den Rillen.
Man kann im Vergleich dazu gern mal die "Made in Europe" anspielen. Die ist auch vom Klang her so schlecht, dass man die nicht auf Vinyl kaufen muss, jedwede andere Quelle reicht da völlig.
Schaut man in die Bandgeschichte, dann kann man besonders im Vergleich quasi heraushören, dass zu diesem Zeitpunkt da schon ordentlich der Wurm drin gewesen ist bei Deep Purple. Und wenn man das eben hören kann, hat man sein Feinhören wieder ein bisschen mehr geschult.
Herausragend ist bei Deep Purple generell der Jon Lord, der Meister der Hammond-Orgel, ein offensichtlich bestausgebildeter und in Klassik bewanderter Musiker. Für mich die Seele von Deep Purple und der meilenweite Unterschied zu vielen anderen Bands dieser Zeit mit gleichem Format.
Die Tasteninstrumente führen diese Platte hier und die meisten Werke von Deep Purple, ohne dass das die anderen Musiker schmälert. Aber es gibt einfach mehr als einen herausragenden Gitarristen wie Richie Balckmore und zumindest ein paar Schlagzeuger, die einem Ian Pace durchaus ebenbürtig oder gar überlegen sind. Einen zweiten Jon Lord gab es hingegen in der Zeit meines Wissens nach nicht. (Und wenn doch, lassen Sie's mich bitte unbedingt wissen!)
Das eigentliche Highlight ist dann aber trotz allem die Gesangsleistung von Ian Gillan bei "Child in Time". Wer hätte vermutet, dass er das, was auf dem Studioalbum schon unglaublich gut klingt, tatsächlich in einer Live-Performance, also ohne Unterbrechung und gestückelte Aufnahme, würde bringen können?
"Child in Time", dieses heute wieder aktuelle Anti-Kriegslied, diese Liveversion ist so unfassbar gut, auch was das Zusammenspiel der Band anbetrifft, allein für dieses Lied lohnt sich diese an sich aber durchweg gute Doppel-LP.
Ich nehme an, die wurde wieder aufgelegt. Aber wenn ich mir so anhöre, was ich mittlerweile an überwiegend schlechten Neupressungen so zusammengetragen habe, nicht nur die nachträgliche Abmischung betreffend, sondern leider viel zu oft auch die Vinylqualität, ich würde es gar nicht erst versuchen. Bis auf wenige Ausnahmen ist das klangtechnisch ein fast schon garantierter Griff ins Klo. Die Platte gibt es, und es gibt sie in ausreichender Qualität, und sie ist ihren Preis einfach wert.
Noch ein Wort zu dem Song:
Wir erzählten uns damals, der Song sei auf dieser sagenumwobenen goldenen Schallplatte mit der Raumkapsel Voyager aus dem Sonnensystem in andere Welten geschossen worden, als ein Beispiel moderner Musik. Nicht die Beatles, und auch nicht die Stones.
Ich habe es nicht geprüft. Wenn es nicht so war, dann hätte es jedenfalls so sein sollen.
Insgesamt eine Live-Platte zum audiophilen Genießen, ganz im Gegensatz zur Queen "Live Killers".
Vergleichbar fällt mir gerade noch die (viel später aufgenommene) "Bursting Out" von Jethro Tull ein und vielleicht die "All the World's a Stage" von Rush. Wobei ich die letztere nochmal auflegen müsste, um sicherzugehen. Dass mir die in der Jugend gefallen hat, obwohl ich die Stimme nicht leiden konnte, ist recht sicher ein deutlicher Hinweis auf Audiophilie.
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