Man denkt, Discogs sei sozusagen das Wikipedia der Vinylwelt.
Das stimmt, und es ist auch genauso unzuverlässig. Auch hier wird nämlich manipuliert, und das nicht zu knapp.
Warum sollte das auch anders sein als am Aktienmarkt?
Mal abgesehen davon, dass es für Laien verwirrend ist, sich durch die verschiedenen Ausgaben zu navigieren, ich habe auch eine Weile gebraucht. Und abgesehen davon, dass ein Sammlermarkt natürlich in gewissem Sinne so irrational ist wie der Markt der Derivate.
Immer wieder finden sich Platten mit extremen Ausreißern, die so nicht erklärbar sind, wie diese hier. Da ist also der höchste erzielte Preis für eine NM-Platte 200 Euro. Dem Bewertungsystem von Discogs, dem "Goldmine Standard", gemäß wäre dann eine Platte der selben Ausgabe in VG+ die Hälfte wert, also 100 Euro.
Und so findet die sich dann bei Ebay-Kleinanzeigen, einer Platform ohne die Möglichkeit, sich zu wehren, wenn die Zustandsbeschreibung mal wieder maßlos übertrieben ist. Und wird nicht verkauft. Um im Bild der Goldmine zu bleiben, nicht in jedem Loch, das man buddelt, findet man eine Goldader.
Man kann man hier ganz gut sehen, dass die fiktiven hundert Euro schlichtweg Unsinn sind:
Seit Monaten ist hier eine NM-Platte dieser Ausgabe für 50 Euro drin (zu Bewertungssystemen geht es hier), wird aber nicht verkauft. 50 Euro, also die Hälfte des scheinbaren Verkaufswertes einer VG+ Platte.
Während sich die anderen Angebote offenkundig an dem einen Ausreißerpreis orientieren.
So wird also künstlich ein Preis suggeriert, der sich dann letztendlich auch bei Ebay wiederfindet, schließlich orientieren sich ja alle an der Eminnenz Discogs. Und wer kann schon die Suche bei Ebay so bedienen, dass er herausfindet, dass eine Scheibe, die scheinbar neu eingestellt wurde, seit fast zwei Jahren immer wieder zu diesem Preis erfolglos angeboten, und aber eben nicht verkauft wird? Wer weiß, dass man sich "verkaufte Artikel" anzeigen lassen kann?
So wandert also dann das gesamte Angebot durch eine Manipulation preislich nach oben. Bei seltenen Platten oder bei von vielen begehrter Ware funktioniert das mitunter. Der Preis ist nichtdestominder künstlich erzeugt.
Aber, wie wird das denn genau gemacht, und lohnt sich das überhaupt?
Letztendlich müssen ja bei solchen Verkäufen Gebühren bezahlt werden an Discogs, und Geld muss de facto transferiert werden.
Dabei ist es recht einfach. Hier links sehen Sie nämlich ein wunderbares Beispiel:
Diese Platte habe ich gekauft. Sie finden die in meiner Sammlung.
Und mal wieder hat mir jemand ausdrücklich eine neuwertige Platte ohne jede Spuren zugesichert, und ich habe eine Platte mit deutlich sichtbaren Gebrauchsspuren erhalten, ein knappes VG+.
Da ist die dann also die Hälfte wert, von einem Preis der -im Gegensatz zur Deep Purple oben- insgesamt nicht sonderlich manipuliert wirkt. Can ist halt keine Massenware und wird auch nicht massenhaft nachgefragt. Lohnen tut sich das Manipulieren nur bei Platten, von denen es viele gibt, ein professioneller Händler hat halt die Deep Purple, sozusagen seine Aktie, zwanzig mal im Schrank, Can vielleicht einfach keine.
Aber das Beispiel deckt die Schwäche von Diss-cocks auf:
Wird ein Verkauf nämlich rückabgewickelt oder vom Verkäufer eine Teilerstattung gewährt, registriert Discogs das einfach nicht.
Und hat natürlich auch gar kein Interesse daran, schließlich verdient Discogs am Marktwert, sei der nun künstlich gepusht oder realistisch.
Die stellen sich einfach taub, den Käuferschutz gibt es nicht von denen, sondern nur über Paypal. Da wissen die halt zufällig nichts davon.
Wie man sieht, ich habe für diese Platte eine Erstattung von 40 Euro bekommen, bei Discogs wird das auch Wochen später nicht angezeigt.
Wird der Verkauf vollständig storniert, erhält der Verkäufer auf Antrag bei Discogs natürlich seine Gebühren zurück, aber auch da wird die Statistik nicht korrigiert. Die Preismanipulation funktioniert perfekt und sie ist auch noch kostenlos.
Ich gehe davon aus, dass das bei Ebay nicht anders ist. Ob es gemacht wird, weiß ich nicht, für Platten ist Ebay nicht so heiß. Bis vor Kurzem prangte dort auch nirgendwo eine Statistik mit den durchschnittlichen, niedrigsten und höchsten Preisen. Neuerdings zeigt Ebay allerdings auch den Median an.
Tatsache ist jedenfalls, dass auch bei Ebay ein nachträglicher Preisnachlass nicht angezeigt wird. Das weiß ich genau, weil immer mal wieder habe ich guten Kunden, die mehrere Platten auf einmal gekauft haben, eine Erstattung gesendet, angezeigt wird die auch im Nachhinein einfach nicht.
Fazit:
Wenn Sie zu den Menschen zählen, die die Sammlung vom Opa bei Kleinanzeigen verhökern wollen, wundern Sie sich nicht, wenn da niemand den scheinbaren Durchschnittspreis anbietet. Wenn Sie den Markt nicht kennen, bietet Discogs nur eine ganz grobe Orientierung.
Natürlich, es gibt unter den Profis wie den Amateuren Goldgräber und Halsabschneider, die geradezu unverschämt sind. Aber ihre Preisvorstellung ist, wenn überhaupt, nur dann realistisch, wenn Sie eine ordentlich bewertete Platte mit einem guten Profil einzeln einstellen. Bei Kleinanzeigen sinkt der Wert allein schon deshalb, weil es für den Käufer kaum eine Möglichkeit gibt, so eine Erstattung wie ich im Beispiel oben überhaupt zu erhalten.
Und wenn Sie Platten kaufen wollen, ich rate offen gestanden grundsätzlich von Discogs und Kleinanzeigen ab. Man kann da natürlich auch mal Glück haben, es gibt ja auch Menschen die Lotto spielen. Meine Erfahrungen sind aber auf beiden Plattformen fast durchgängig negativ.
Ebay ist für mich eine gute Quelle. Vor allem funktioniert der Kundenservice, zumindest derzeit, und das Problemmanagement ist leicht zu navigieren. Was ich beides von Paypal nun wirklich nicht behaupten kann. Und bei Discogs gibt es quasi keinen Kundendienst.
Für Ebay gilt allerdings die eine ernüchternde Einschränkung, dass man sich auf die Verkäuferbewertungen leider nicht unbedingt verlassen kann. Auch da wird manipuliert. Teils ist das offiziell, nur dass es halt niemand weiß. Inwiefern da aber auch tatsächlich gemauschelt wird, dazu finden Sie etwas hier.
Aber auch bei Discogs wird sogar von den größeren Händlern gemauschelt.
Ich habe meine Spliff "Herzlichen Glückwunsch" bei Discogs von einem Händler gekauft, den ich aus dieser mittelmäßigen Doku kannte. Statt NM bekam ich, mal wieder, ein knappes VG+. Ich hatte aber keine Lust, wegen zwölf oder fünfzehn Euro (mit Versand) durch das Prozedere von Paypal zu rudern und habe einfach eine schlechte Bewertung hinterlassen. Manchmal ist mir das wichtiger als ein paar Euro, ich bin ja manchmal gern der Robin Hood unter den Vinylfreaks.
Mir wurde dann vom Händler eine vollständige Erstattung einschließlich Porto angeboten, und die Platte durfte ich behalten, wenn ich doch nur die Bewertung lösche.
Habe ich gemacht, die Platte als VG+ verkauft, und mir von dem Geld dann eine Ordentliche gekauft. Ich bin ja schließlich nicht immer Robin Hood. Ich bin halt einfach nur Vinylfreak.
Wenn Sie das gern gelesen haben, empfehlen Sie mich doch bitte einfach weiter, ich werde gern gelesen.
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