Klar, alle kennen Can. Klar, die "Tago Mago" ... und winken dann gähnend ab.
Ne, die meisten kennen Can nicht. Es ist nämlich nicht möglich, Can zu kennen, wenn man die nicht auf gutem Vinyl und ganz durchgehört hat, und zwar mehrfach. Das sind allesamt audiophile Konzeptplatten.
Da sei also vornweg mal vor den Nachpressungen der "Future Days" gewarnt!
Wir hatten hier das Original davon, es gehört einem Freund. Das fand ich so geil, dass ich mir die Nachpressung gekauft habe. Wieso auch im Haifischbecken schwimmen, um mal wieder bei Diss-Cocks für 100 Euro eine "NM"-Scheibe zu kaufen, die schlichtweg ein nur knappes "VG+" spielt, wenn ich die doch auch einfach neu kaufen kann?
Tja, also, ich spekuliere ja hier, woran das alles liegen mag, jedenfalls ist auf der Nachpressung die Musik schlichtweg nicht drauf.
Can ist für mich eines der besten Beispiele für Audiophilie und Feinhören und damit für die Berechtigung, ein Vinylfreak zu sein. Oder es zu werden.
Warum das so ist, bei Can finde ich das vergleichsweise einfach zu verstehen:
Es geht bei dieser Kunst nach meinem Erleben vornehmlich um Klänge und Töne.
Der Holger Czukay, der Bassist, der eigentlich gar keiner war, hat bei Stockhausen Musik studiert. Der Musikprofessor Stockhausen wäre wohl eine Geschichte für sich. Der hat jedenfalls die Zwölfton-Musik propagiert. "Entdeckt" würde er wahrscheinlich gesagt haben.
Zwölfton-Musik, das sind sozusagen, als Laie darf ich das so ausdrücken, die ganz schiefen Töne zwischen den ohnehin ziemlich schiefen Tönen.
Genie oder Irrer, das also ist irgendwie bei Can eingeflossen. Wobei Czukay wohl auch an einem Kurzwellenradio rumgedreht hat, die statischen Frequenzen gesucht, aufgenommen, verfremdet und mit eingemischt. Man darf ja nicht vergessen: Das ist vor dem Syntheziser und natürlich lange vor dem allgemein zugänglichen Computer.
Das Ergebnis, so wie ich es höre, ist hier dann also eine Konzeptplatte, und zwar ein Klangkonzept:
Die erste Seite, im Prinzip halt irgendsoein Krautrock, sie klingt irgendwie schrill. Das ist fast schon an der Zahnschmerzgrenze. Man kann gar nicht genau sagen, was da irgendwie unangenehm ist, aber unangenehm ist's, man fragt sich geradezu, ob mit dem Verstärker was nicht in Ordnung ist.
Diese erste Seite ist dann aber eben genau die Ohrweitung, so erlebe ich das jedes Mal, die das Genießen der zweiten Seite erst so richtig eröffnet.
Verstehen Sie?
Der Ohrenschmaus ist wie der Gaumenschmaus:
Bei hochklassiger Ware ist der Genuß abhängig von einer guten Vorbereitung des Sinnesorgans.
Das vielleicht bittere Amuse-Gueule aus einer guten Küche ist etwas grundlegend anderes als das Weißbrot mit Olivenöl für die Warteschleife beim Italiener. Es ist Teil eines größeren Konzeptes.
Da geht auf Seite zwei dann nämlich ein im Prinzip immer gleiches Stück mit einem faszinierenden Schlagzeug und sagenhafter Abmischung tranceartig fast zwanzig Minuten über die ganze Seite. Als Stand-Alone ist das Stück noch immer recht kultig. Im Kontext mit der ersten Seite ist es mit seinem völlig anderen, dumpferen Klangbild geradezu hypnotisch und aus meiner Sicht monumental. So monumental wie eine zwanzig Jahre alte Beerenauslese, wenn man vorher den richtigen Wein getrunken hat.
So ist diese Platte für mich ein Schatz. Und wie Beerenauslesen, das säuft man halt nicht jeden Tag und zu jedem Essen. Es ist das ganz Besondere für einen besonderen Tag.
Ich glaube also nicht, dass sich hier eine Nachpressung lohnt. Genau genommen, ich glaube, bei dieser Platte ist eine Nachpressung völlig sinnlos.
Es gibt Nachpressungen, die Sinn machen. Einige finden Sie hier, beispielsweise die Gomorrha "Trauma". Nur hier würde ich es einfach gar nicht erst versuchen. Man muss Can erstmal kennen, so, wie das gemeint gewesen ist, um beurteilen zu können, ob man damit überhaupt etwas anfangen kann. Und das geht eben nur "sicher" mit einer frühen Pressung.
Opmerkingen