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  • vinylfreak

WHY REMASTER A MASTERPIECE?

Updated: Dec 4, 2023

Wenn man Neupressungen alter Alben kauft, hat man nicht automatisch eine audiophile Schallplatte. Leider ist allzu oft das genaue Gegenteil der Fall.

Man braucht deshalb aber auch nicht unbedingt die oft viel zu teure Erstpressung. Das ist Sammlerlatein.

Leonardo da Vinci "Mona Lisa", a woman drinking a cocktail with a straw

Ich versuche es zusammenfassend mal mit einem Vergleich zur modernen Konzeptgastro:


Ein ganz leise eingesetztes Gewürz schmeckt man vielleicht nicht heraus. Keiner weiß, wie eigentlich Wacholderbeeren schmecken. Aber wenn sie nicht in der Soße sind, fehlt etwas.


Wenn der Koch das aber gar nicht mehr weiß und einfach das "Wildgewürz" oder gar die Fertigsoße benutzt, wird es einfach keine hochklassige Küche.

Andersrum weiß irgendwann der Gast auch nicht mehr, wie eine aus einem richtigen Fond aufgebaute Soße eigentlich schmeckt, und fordert dann, wie beispielsweise hier, den immer gleichen, mit Geschmacksverstärkern beschleunigten, gefälligen Geschmack.


Kulturverlust ist eine Abwärtsspirale. Er betrifft alle Lebensbereiche, ob nun kulinarische Besonderheiten wie den Lagen- und Jahrgangswein oder den Journalismus. Am Ende kann schlichtweg niemand mehr Texte verfassen, wie der Spiegel in den Achtzigern, und es wäre auch kaum noch jemand in der Lage, solche Texte zu verstehen ohne dabei zumindest angestrengt zu sein.


Im Bereich der Audiophilie, Aufnahmetechnik und Abmischung wirkt sich das bei remasterten Neuauflagen mitunter katastrophal aus. Unter Umständen wird wie bei der Embryo, meinem krassesten Beispiel für diese Abwärtsspirale, aufgrund von Unkenntnis oder Profitgier einfach ein Klangkunstwerk im Namen der Gefälligkeit zerstört.

Was nicht unmittelbar durch Menschen verhunzt wird, erledigt mitunter die Zeit, wenn die Originalbänder verblassen und Neupressungen deshalb zwangsweise schlechter klingen. Ansonsten macht spätestens der allmächtige Algorithmus von Spott-ih-pfui jedweder innovativen Musik mit Lautstärkendynamik oder gar Rhythmuswechseln den kommerziellen Gar aus. Da bleibt nur ganz wenig und so am Rande, dass dadurch der Kulturverlust nicht revidiert werden kann.


Dabei kann man Feinhören, also den Genuss audiophiler Musik, eigentlich recht einfach lernen. Das ist wie Feinschmecken oder Singen:

Nicht jeder wird ein Opernstar und nicht jeder wird einen Wein nach Lage und Jahr erkennen. Aber passable Chorsänger oder jemand, der von Wein mehr versteht als die Unterscheidung von weiß und rot, das können alle lernen.

Dazu braucht es so etwas wie eine kundige Führung, vielleicht tatsächlich ein Vinylmuseum, besser noch einen Klangerlebnispark. Ich bin wirklich davon überzeugt, dass die Welt ein kleines bisschen besser werden wird, wenn wir wieder Hören und Zuhören lernen, Unterschiede nicht mehr ablehnen, sondern interessant finden und uns also mehr dem Erleben zu öffnen, statt in vorgefertigten Werturteilen gefangen zu sein. Und diese Webseite soll dafür also zumindest ein kleiner Baustein sein.

Leonardo da Vinci "Mona Lisa" pixelated

Wenn Sie sich hier lange genug rumgetrieben haben, dann wissen Sie schon, im Prinzip sind viele Einträge also eine Art Höranleitung.

Oft würde zum Nachvollziehen das Gegeneinanderhören verschiedener Ausgaben sozusagen das I-Tüpfelchen sein. Aber in vielen Fällen reicht eine halbwegs preisgünstige frühe Ausgabe im Vergleich zu einer aktuellen Neuauflage aus der digitalen Konservendose.


Beispielsweise bei der "A Night at the Opera" ist der Unterschied zwischen der ursprünglichen Abmischung und der späteren CD-Abmischung einfach unüberhörbar. Und ich meine nicht das Klangbild, die Datenreduktion von CDs und damit ihre akustische Minderwertigkeit sind ein ganz anderes Thema. Nein, man würde die völlig andere Art der Abmischung hier auch hören, wenn man mit dem Laptop bei Youtube eine von einer alten Pressung aufgenommene Version mit der später remasterten Geschmacksverstärkersauce vergleicht.

Und ganz vielleicht weckt das ja dann wie bei mir Interesse, ich bin in die Audiophilie ja schließlich auch nur völlig ungeplant und unbeabsichtigt hineingerutscht.

Vermeer "Girl with pearl earring", a childish reproduction

Jedenfalls kommt dann, bildlich ausgedrückt, auch bei von den ursprünglichen Mastertapes remasterten Schallplatten oft leider so etwas heraus, wie diese putzige Version von Vermeers "Mädchen mit Perlenohrring":

Wenn man das Original nicht kennt, ist es vielleicht ein ganz schönes Bild, und in vielerlei Hinsicht lässt sich sicher auch etwas Künstlerisches daran entdecken.

Es ist leider nur nicht das Meisterwerk, das man immer und immer wieder bestaunen kann, wo man immer noch eine neue Facette entdeckt. Irgendwann wird es dann einfach langweilig, wie es die einfache Reproduktion eines Meisterwerkes als Leinwanddruck eben auch werden würde.


Die CD-Ohren der modernen Toningenieure

Warum mitunter von den Originalbändern neu abgemischt werden muss, darüber spekuliere ich hier, genau wissen tue ich es nicht, und es kann auch vielerlei Gründe dafür geben. Auch die Sixtinische Kapelle musste irgendwann einmal restauriert werden. Die oberste Farbschicht ist dann an manchen Stellen nicht mehr der originale Pinselstrich, aber man kann es so machen, dass das Original bewahrt bleibt.

Tatsache ist, dass die Restaurierung von Musik -das wäre für mich sozusagen der Gegenbegriff zum Remastern- mitunter einfach ganz hervorragend gelingt. So manch' eine Platte habe ich im direkten Vergleich zu einer frühen, manchmal auch zur Originalausgabe gehört. Diese zum Beispiel, und die ist dem Original absolut ebenbürtig.

In den meisten Fällen, wo das so ist oder wo ich wie hier bei der Birth Control auch ohne direkten Vergleich der Meinung bin, dass das gut gelungen ist, da war entweder ein ursprüngliches Bandmitglied dabei oder ein Toningenieur aus der Zeit, idealerweise der gleiche. Eroc hat beispielsweise unlängst mit der Aufbereitung dieser Ax Genrich, die zuvor gar nicht auf Vinyl erschienen war, ganz hervorragende Arbeit geleistet.


Jetzt gibt es aber eine ganze Reihe von remasterten Alben auf Vinyl, die sind mittlere Katastrophen, wenn man das Original kennt. Und das, obwohl es sich wie zum Beispiel bei der Ummagumma (und den anderen, wiederaufgelegten alten Pink Floyd) natürlich um hochkarätige Toningenieure handelt.


Die Ummagumma war mir seinerzeit eine der liebsten, die wollte ich also gleich nach meinem Wiedereinstieg ins Vinyl unbedingt wiederhaben. Die alten Pressungen schienen mir mangels Sachkenntnis viel zu teuer, und neu abgemischt von den einzelnen originalen Tonspuren klang dann also doch mehr als vielversprechend.

Als die dann hier war, war ich nicht begeistert. Und wie beim Klangverlust durch den Umstieg auf CD hätte ich nicht sagen können, warum. Klingt eigentlich super.

Eine meiner Mitbewohnerinnen ist jünger und hat ihre Ohren auch nicht so geschunden, die sagte, man höre das Bandrauschen. Das ist natürlich niemandes Schuld, analoge Bänder verblassen eben über die Jahrzehnte. Und weil ich es nicht mehr hören kann, kam das als Erklärung auch nicht in Betracht. Ich habe also gedacht, naja, Pink Floyd, halt für mich vorbei, nicht mehr meine Musik. Quasi genau der gleiche Denk- oder vielleicht besser Hörfehler wie beim Umstieg auf CD, worüber ich ja ein bisschen hier schreibe. Oder wie bei einem Rehmedaillon aus dem Konvektor der Konzeptgastro: Ich mache mir wohl nichts mehr aus Wild.


Pustekuchen. Irgendwann strandete die Ummagumma in einer frühen Pressung hier in einem furchtbar schlechten Zustand. Natürlich habe ich die trotzdem gewaschen und aufgelegt, das gehört sich ja so für einen Vinyl-Konservator.

Es waren vielleicht zwei Minuten, bis ich die völlig aufgeregt wieder vom Teller genommen habe und die Neupressung aufgelegt ... dann von beiden ein Stück auf MD aufgenommen ... und dann war sehr schnell klar, dass die neu abgemischte Scheibe mit der eigentlichen Faszination nichts mehr zu tun hatte.


Das ist schwer in Worte zu fassen. Es ist ungefähr so, wie bei einem alten Schwarz-Weiß-Film, einer, bei dem für jede Szene stundenlang an der Ausleuchtung gearbeitet wurde, die Kameras auf den Millimeter genau ausgerichtet, die Belichtung und die Brennweite optimal eingestellt, wie bei Kurosawa-Filmen zum Beispiel, wo die Textur des Bildes einfach Teil des Kunstwerkes ist und einen Inhalt vermittelt. Das also dann digital für DVD oder Blue-Ray aufgearbeitet, alles wird kristallklar mit scharfen Konturen, aber die Textur ist verloren, die Bilder sind irgendwie zweidimensional wie in einem Walt Disney Zeichentrick, das ergreifende Erlebnis ebenso flach.

So war es, wie gesagt nur als ein Beispiel, bei der Ummagumma und auch bei der Neupressung der Dark Side of the Moon. Kann man gut hören, legt man aber irgendwie nicht wieder auf.

Womit ich dann also letztendlich alle frühen Pink Floyd in frühen Ausgaben gejagt habe, allesamt Meisterwerke. Und das bezieht sich nur zu einem Teil auf die Musik, es gibt Vergleichbares aus der Zeit, um es verhalten auszudrücken. Es sind die Abnahme und die Abmischung als ein integraler Teil des Klangkusntwerkes.


Warum das beim Remastern also oft so ist, dass das Kunstwerk zerfällt in Einzelteile, ich finde das recht leicht erklärlich: Der Koch kennt keine Wachholderbeeren. Es ist ein guter Koch, er macht seinen Fond selbst, aber er benutzt "Wildgewürz".

Konkret, der Mensch, der die Pink Floyd abgemischt hat, hatte CD-Ohren, das Original auf Vinyl hat er möglicherweise nichtmal gekannt. Er hat die Abmischung seinen Hörgewohnheiten gemäß ausgerichtet, seinem "Geschmack", vorgegeben von diesem vermeintlichen Original auf CD oder im Stream. Und das ist ihm auch wirklich gut gelungen:

Die remasterten Neupressungen der alten Pink Floyd sind Repliken der viel späteren CD-Abmischungen. Was für die Neuauflagen der frühen Queen ebenso gilt. Und eben für viele mehr, leider.


Das muss man verstehen, die Bands waren gewöhnlich früher mit im Tonstudio dabei bei der Abmsichung, Toningeniuere und Musiker bildeten eine kreative Allianz. Die Verweilzeiten im Studio waren Wochen, wenn nicht gar Monate. Ganz selten mal nur Tage wie bei dieser Ausnahmescheibe hier.


Zuletzt kommt noch die Klangoptimierung dazu, die heute das Computerprogramm übernimmt. Fragen Sie sich mal, warum es von vielen Platten von damals "Testpressungen" gibt:

Was dort getestet wurde ist, ob man in dem Versuch, das Vinyl maximal mit Klang und Frequenzen auszulasten vielleicht zu weit gegangen ist. Es gab nämlich Platten, da war so viel Bass drauf (eine Led Zeppelin zum Beispiel), dass die Nadel hüpfte von der Vibration, die Platte sprang trotz astreiner Pressung. Plattenspieler sind schließlich Feinmechanik. Und weil man aber eben maximale Auslastung wollte, fuhr man mitunter zu hochtourig. Das also musste getestet werden und eventuell dann nach unten korrigiert. An einer Stelle.

Dass die Parameter einer Software heute so sind, dass die Sicherheitsmargen deutlich unter der Maximalauslastung liegen, liegt auf der Hand. Für eine Testpressung und eine Nachbearbeitung hat heute ebensowenig noch jemand Zeit, wie eine Band wie Pink Floyd bei der Neuabmischung zugegen zu sein.


Ja, und so klingen remasterte Neupressungen dann also oft flacher, zerstückelt, mit wenig Dynamik und mit wenig Tiefe. Irgendwie zweidimensional.

Obwohl ja theoretisch restaurierbar, aufgrund von Unkenntnis, Zeitmangel und verblassten Bändern kommen oft überpinselte oder lustig aufgehübschte Werke wie hier in den Bildern versuchsweise dargestellt auf den Markt. Und genau deswegen ist altes Vinyl ein unwiederbringlicher Kulturschatz.

Umso mehr dann, wenn wie bei der Kraftwerk gar keine Originalbänder mehr existieren. Dann ist nur noch eine Kopie durch Needle Drop möglich, mit den entsprechenden Verlusten. Bei audiophilen Werken ist das fatal, wenn es auch trotzdem eine Technik zu sein scheint, mit der man tatsächlich gute Ergebnisse erzielen kann. Das für mich dabei Wesentliche, das ist der Erhalt der originalen Abmischung. Wenigstens serviert mir da niemand Mercury als Frontmann, als er noch gar keiner war, wie bei den späteren Abmischingen der Night at the Opera.


Ich meine es jedenfalls ernst:

Wenn Sie noch alte Platten haben, verkaufen Sie die nicht. Auch nicht mir.

Setzen Sie ihren Plattenspieler instand, waschen Sie die Platten und hören die durch.

Womöglich müssen Sie dann halt ihr Wonzimmer anders einrichten.


Wenn Sie das gern gelesen haben, empfehlen Sie mich doch bitte einfach weiter, ich werde gern gelesen.

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