Es gibt viel Krautrock, und noch mehr, was heute fälschlicherweise so bezeichnet wird.
Diese Platte zählt eindeutig zum Krautrock, sowohl von der Zeit, dem Klang, der Melodieführung als auch von der Abmischung.
Sie ist gut, und diese späte Pressung hier ist völlig ausreichend, ich habe die gegen das Original gehört.
Richtig spannend ist aber, was man an dieser Platte so aufzeigen kann zur Verhunzung durch Remastern, zum Feinhören und aber eben auch zum allgemeinen Kulturverlust.
Um es nicht gleich Verblöding zu nennen.
Kulturverlust in diesem Kontext bedeutet für mich die Folgen des Streamens und die Einengung durch klickgeile Algorithmen, die eben bevorzugen, was dem entspricht, was gerade geklickt wird. Und die obendrein im Hintergrund manipuliert werden, so dass man mit Zwei-Minuten-Schrott Geld macht und ernstzunehmende Kunst verdrängt. Googeln Sie's mal, wenn Sie das genauer interessiert.
Das ist freilich eine Wissenschaft für sich.
Verkürzt gesagt ist es so: Wenn eine Band heute erfolgreich sein will auf Spott-ih-pfui, dann darf die Abmischung auf keinen Fall große Dynamik enthalten. Der Lautstärke-Level muss gleich bleiben und die Beats dürfen nicht komplex sein, schon gar keine Tempo- oder Rhythmuswechsel.
All das aber eigentlich wichtige Parameter von Musik, durch die Jahrhunderte, all das verloren an eine wildgewordene KI.
Selbst eine extrem erfolgreiche Pop-Rock-Scheibe wie die großartige Queen "A Night at the Opera", natürlich in der vor-CD-Originalversion, wäre heute am Markt nicht mehr durchsetzbar.
In der Folge werden auch spätere Neupressungen deshalb häufig den verarmten Hörgewohnheiten angepasst. Ein guter Grund für altes Vinyl:
Band und Toningenieur, die Abmischung, dereinst ein wichtiger und kreativer Bestandteil der Produktion, hatten mitunter völlig andere Absichten als gefällig zu sein.
So eben auch bei diesem Album, dessen audiophiler Geniestreich uns dreiundfünfzig Jahre später erreicht, unser Gehör geschult und unsere Herzen erfreut hat:
Wenn wir eine "neue" Platte zum ersten Mal bewusst hören, dann haben wir natürlich Sitzpositionen, die auf den optimalen Stereopunkt ausgerichtet sind. Die Originalpressung eines Freundes, die wir dann gehört haben, hat uns begeistert. Nur hätte ich nicht den Finger darauf legen können, wieso eigentlich. Musikalisch fanden wir die Platte halt ganz ansprechend, aber jetzt nicht total umwerfend. Es war einfach irgendwie das Klangbild, das uns faszinierte.
Also wurde das Album in dieser viel späteren Ausgabe hier nachgekauft, ein Blindflug mit der Hoffnung, dass da vielleicht noch die originale Abmischung drauf ist, die nicht verhunzt wurde, und es auch nicht einfach eine datenreduzierte CD-Version auf Vinyl ist. Glücklicherweise taugt diese Nachpressung, dem Vergleich hält sie stand, wir waren zufrieden.
Dann lief die Scheibe halt irgendwann mal wieder.
Weil wir manchmal zu zweit Mix-MDs machen, ebenfalls ein höchst kreativer Vorgang, bei dem man nachher oft verblüfft ist, wo das hingeführt hat und wie dann nahezu magisch doch zusammenpasst, was augenscheinlich eigentlich nicht passen dürfte. (Nur so haben wir herausgefunden, wie viel Anleihe der gute David Bowie beim Krautrock nimmt.) Da gibt es also Situationen, wo wir nah an der Anlage stehen. Erst da fiel auf, dass bei einem Lied dieser Platte eine konsequente Kanaltrennung vorgenommen wurde:
Gitarre und Bass liegen ausschließlich links, das Schlagzeug ausschließlich rechts. Einzig das Blasinstrument verrät, das nicht etwa etwas defekt ist am Verstärker, den Boxen oder gar dem Plattenspieler, es wandert von links nach rechts und zurück.
Kurzum, in einem kurzen Winkel, wo der Schall sich noch nicht vollständig überlagert, bietet die Platte ein völlig anderes Hörerlebnis! Und zwar eines, bei dem man, ähnlich wei bei "schiefen" oder gegenläufigen Harmonien, deren höhere Synergie sich erst in der aktiven Synthese im Kopf offenbart, förmlich spürt, wie das Gehirn arbeitet. Hörten wir nur oberflächlich hin, war der Effekt fast nervig. Nachdem wir dann aber überrascht lauschten, war es wirklich wie eine Denkaufgabe für das Gehirn: Gelang die Synthese, war das ein unglaublich anregender Reiz.
Auf Kopfhörer bekomme ich die beiden getrennten Seiten übrigens tatsächlich nicht zusammen, denn wo die Kanäle sich ja auch unmittelbar vor der Anlage dennoch ein bisschen überlappen, tun sie das beim Kopfhörer ja eben absolut nicht.
Kurzum, man kann diese Platte also in (mindestens) drei Dimensionen hören. Es sind sozusagen drei verschiedene Platten, und das ist so gewollt.
Auf der Suche nach einer hoffentlich geeigneten Nachpressung, hatte ich die
Bemerkung hier links gar nicht richtig verstanden, einfach überlesen.
Glücklicherweise habe ich dann nicht diese verhunzte Version gekauft:
Da war also irgendsoein Schwachmat am Werk und hat mal eben die Recht-schraibung von Goethe korrigiert. In dem Fall obendrein eine absichtlich Falsche.
Und die Verdümming zeigt sich hier auf Hörerseite noch deutlicher:
Der Mensch meint also tatsächlich, die Abmischung sei stümperhaft.
Das ist, mit Verlaub, noch unter dem Stammtischniveau von bierbäu-chigen Fussballexperten, wenigstens kennen die die Spielregeln: Mehr nach links, nach links, links rüber!
Der arme Kerl, der wird also nie hören, was da eigentlich auf der Platte ist. Warum der nicht gleich Spott-ih-pfui anmacht, mir ist es jedenfalls ein Rätsel. Lange Platten sammeln wird der nicht.
All das gute Gründe für diesen Blog, in dem es um's Feinhören geht. Was eben etwas mit Hinhören zu tun hat. Und das kann man lernen. Kultur ist ein tradiertes Gut, sie ist vermittelbar. Ohne Mittler geht sie verloren.
Dieser unwissende Kommentar zu eineer anderen Platte, auf dem Feinschmeckernineau, dass bei Burger King die Pommes besser sind oder bei SAT1 die Filme, beinhaltet wertvolle Information:
Er sagt mir, dass bei der Neupressung, um die es geht, zumindest die originale Abmischung bewahrt wurde.
Ob es sich dabei nun um die in den Neunzigern herausgebrachte CD-Version handelt oder um ein Needle Drop, bei den Preisen für eine Originalausgabe und einem Album, das seinerzeit nur ein einziges Mal aufgelegt worden ist, würde ich zumindest mal eher nicht mit den Originalbändern rechnen. Und eher auch nicht mit der abgekupferten Kopie einer Originalplatte. Es dürfte wohl die leider datenreduzierte CD sein, die hier für die Neupressungen verwendet wurde. Aber die CD ist immerhin "AAA", also wenigstens nicht remastert. Mit ein bisschen Glück hat sogar jemand vor dem Pressen noch den Button "optimize source for vinyl" gedrückt.
Ich habe die Nachpressung der Analogy also mal bestellt, obwohl ich also wirklich nicht mit einem bombastischem Vinyl-Klangfeuerwerk gerechnet habe. Tauglich ist diese Reproduktion.
Mich hatte hier vor allem interessiert, ob diese Wahnsinnspreise für die Originalausgabe noch in irgendeinem sinnvollen Zusammenhang zum Gesamtkunstwerk stehen können oder ob es sich schlichtweg um ein sehr spezielles Sammlerphänomen wie bei der Blauen Mauritius handelt. Diese sagenumwobene, unbezahlbare eine, die neuerdings die Liesschen Müllers und Hans Wursts dieser Welt meinen in ihren wertlosen Sammlungen von Heino und James Last zu haben. Vor allem, dass sie ohne jeglichen Aufwand ihren vermeintlichen Schatzfund mal eben so versilbern können. Es ist schließlich Bullerbü in El Dorado.
Sonderlich manipuliert sieht mir der Preis der Analogy jedenfalls nicht aus. Anscheinend wird die Platte tatsächlich für diese astronomischen Preise verkauft, von der Musik her nachvollziehen konnte ich das nicht.
Sollten Sie zufällig ein Original davon besitzen, ich komme sofort nach Völligegalwohin, um die einmal im Original zu hören.
Ich bringe auch Wein oder Bier mit, es sei denn, Sie lebten in einem Land, wo das verboten ist. Und natürlich zahle ich gern für die Toilettennutzung und eine Strompauschale. Ernsthaft, Malaysia oder Magdeburg, ich komme!
So, nun aber nochmal zur Kanaltrennung:
Seit ich das also bei der Opal so extrem plastisch erlebt habe, höre ich das quasi bei jeder Scheibe. Zu meinem Hören wurde eine Dimension hinzugefügt.
Beispielsweise gibt es nur eine AC/DC, die ich wirklich noch immer ganz gern mal auflege. Das ist die High Voltage, Das war auch in der Jugend die einzige, die mir wirklich gefiel. Ja, und jetzt fiel mir also auf, dass da beim ersten Lied die beiden Gitarren konsequent auf links und rechts liegen, und genau das macht das Klangbild aus. Klar, Schlagzeug, Stimme und Bass sind mittig, das ist ja keine experimentelle Abmischung wie bei der Opal. Ich habe gleich nochmal reingehört in die "Back in Black", da ist es eben einfach nicht so.
So hat also die Konsequenz der Opal-Abmischung tatsächlich mein Hören geschult. Ich kann jetzt präziser sagen, warum ich eine Abmischung langweilig finde.
Gerade habe ich beispielsweise die erste Styx durchlaufen lassen, gestern eingetroffen. Die Paradise Theatre von denen ist nämlich großartig. Da hatte mich also das Frühwerk interessiert. Leider ist die Styx I aufgenommen mit einer Standarteinstellung und offenbar auch nicht mehr nachgemischt. Der Toningenieur war faul oder unfähig oder unterbezahlt. Musikalisch ist die Scheibe zwar ganz nett, aus audiophiler Sicht ist sie leider total langweilig.
So, genug, Kanaltrennung, das habe ich von der Opal gelernt, und vielleicht haben Sie jetzt auch etwas davon.
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