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vinylfreak

DAS NADELÖHR

Updated: Dec 4, 2023

Wie lange kann man denn eigentlich so eine Nadel benutzen?

A dirty record player needle in extreme magnification.

Wir wussten es damals nicht. Es war aber ja auch irgendwie egal, Schallplatten waren Gebrauchs-waren, und solange es aus den Boxen ordentlich dröhnte, war eigentlich alles in Ordnung. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich womöglich nie eine Nadel gewechselt habe.

Nur einmal das System ...


Das ist heute anders. Schallplatten sind eine begrenzte Ware, auch neue, und bei alten handelt es sich schlichtweg um unwiederbringliche Antiquitäten.


Da will man also nicht nur über's Waschen nachdenken, schließlich ist Staub nicht nur eine Blockade des Klangs sondern sorgt obendrein logischerweise noch für einen zusätzlichen Verschleiss.


Im Bild oben sehen Sie übrigens eine zuvor unbespielte Nadel. Die verdreckte kleine Spitze ganz oben, das ist der Saphir.

Wir verdanken diese hochauflösenden Bilder übrigens einem Freund, der an ein Zoom ein umgedrehtes normales Objektiv geklebt und einen halben Tag rumexperimentiert hat ...

Was Sie da sehen, das ist eine Nadel nach dem einmaligen Spielen einer ungewaschenen Platte. Diese Anhaftungen bekommt man wieder weg, allerdings nicht mit einem Pinsel, der war vor dem Fotographieren nämlich schon am Werk. Und ob es dieser filigranen Konstruktion dann gut tut mit Ethanol und einem Lappen, ich denke eher nicht.

Vorher sah die Nadel jedenfalls anders aus, nämlich so:

A clean record player needle in extreme magnification.

Heute finden Sie im Netz so allerlei Auffasungen zur Haltbarkeit von Nadeln.

Aber wie bei dieser dubiosen Annahme mit den angeblich besseren Erstpressungen, es hängt doch von so vielen Faktoren ab!

Haben Sie beispielsweise stark beanspruchte Platten, dann muss sich die Nadel doch schneller verschleißen, spielen Sie hingegen nur Neuware, dann wird es entsprechend anders sein.

Und wie hoch ist denn das Auflagegewicht? Ist die Nadel korrekt justiert? Das Anti-Skating richtig eingestellt?


Wie lange also so eine Nadel hält, ich weiß es auch heute immernoch nicht.

Und so häufig wie man heute Handys wechselt und mit Vollgasbeschleunigung an der Ampel seine Reifen runternudelt, zumindest für die von mir empfohlenen Plattenspieler fällt eine Nadel kostentechnisch einfach nicht ernsthaft ins Gewicht.


Wenn man jetzt dann also meinetwegen die tausend Spielstunden annimmt, eine oft kolportierte Zahl im Netz, wo jeder einfach von jedem abschreibt, was bringt einem dann diese ohnehin unzuverlässige Zahl?

Im günstigsten Fall einen Schätzwert, wenn Sie halbwegs sagen können, ob Sie drei oder dreihundert Platten im Monat hören.

Kurzum, ich wechsele also lieber zu häufig, wie beim Ölwechsel. Bei uns ist das am Hauptplattenspieler einmal im Jahr.


Dabei haben wir natürlich ausprobiert, ob wir einen Unterschied hören bei unterschiedlich teuren Nadeln.

Für unsere DUAL gibt es eine Ortophonnadel um die vierzig und eine um die achtzig Euro. Einen Unterschied konnte hier niemand hören.


Es gibt aber einen hörbaren Unterschied zwischen einer neuen und einer alten Nadel:

Eine neue Nadel klingt zunächst deutlich schlechter.

Das war wirklich verblüffend. Zuerst habe ich gedacht, ich hätte Schrott gekauft und habe mich dann also durch's Netz gelesen:

Die Bässe fehlen ein paar Stunden, alles klingt blechern und irgendwie ohne Volumen. Irgendwo stand dann etwas von dreißig Stunden.

Ob diese Zahl stimmt, ich kann's nicht sagen, der Übergang war immer irgendwie fließend und wir haben natürlich auch keine Stoppuhr benutzt. Irgendwann gibt es einfach diesen Moment wo man sicher sagen kann, aha, jetzt passt es wieder.


Was gewiß nicht stimmt, das sind die teils obskuren Erklärungen dafür im Netz. Ich kürze das ab, es weiß einfach niemand, wieso dieses Phänomen existiert. Und ich weiß es auch nicht.

Eines dieser Phänomene, die dann, zumindest bei mir, noch mehr Lust auf das Üben des Feinhörens machen.

Also, wundern Sie sich jedenfalls nicht, wenn Sie ihre Nadel dann tatsächlich mal wechseln.


Wesentlich scheint mir, erstens, dass es für 45 Jahre alte DUAL original Ersatznadeln gibt. Für manch einen fünf Jahre alten Plattenspieler gibt es günstigstenfalls noch irgendwelche dubiosen Nachbauten.

Zweitens, wenn man also einen alten Plattenspieler reaktiviert, statt einen neuen zu kaufen, dann weiß man nichts über die Nadel. Die muss also sicherheitshalber sofort gewechselt werden, egal was der Verkäufer einem so sagt.


Durch mein schönes Hobby mit dem Plattenaufarbeiten und wieder in den Umlauf bringen gibt es manchmal einen Austausch mit Interessierten, und ich kenne auch ein paar Menschen meiner Altersklasse, die noch immer oder wieder neu Lust auf Vinyl haben. Einmal war ich auch auf einem Vinylertreffen.

Das ist so ein bisschen wie mit Autos, bei manchen dominiert halt die Einstellung "meiner ist länger als deiner". Sie ahnen ja echt nicht, was man mir auf Ebay so alles erzählt.

Und bezogen auf die Nadel ist dann aber interessant, dass gerade unter denen, die ach so wahnsinnig teure Anlagen haben oft Menschen sind, die über den Nadelwechsel schlichtweg nicht nachgedacht haben ... Was aber ein Lamborghini auf der Autobahn zu suchen hat mit abgefahrenen Reifen und defektem Bremszylinder, um dann hundertzwanzig zu fahren, mir erschliesst sich das nicht. Also ich fahre dann halt lieber meinen Corsa. Und nehme diese Leute wirklich einfach nicht ernst.

Wie an anderer Stelle schon gesagt, nur weil sich jemand immer den teuren französischen Rotwein leistet, macht ihn das noch lange nicht zu einem Weinexperten. Im Gegenteil, es ist im günstigsten Fall jemand, der einfach sicher gehen will und keine Lust oder Zeit hat zum Ausprobieren. Im wahrscheinlichsten Fall ist es aber einfach nur ein ahnungsloser Konsum-Snob.


Zurück zur Nadel, wenn Sie einen gängigen, alten Plattenspieler haben, finden Sie oft auch die Ersatznadeln im Netz.

Je nach Anlage und Ohren lohnt sich vielleicht die Teurere. Ich würde das wie beim Wein nicht ohne Test machen und halt einfach mal beide kaufen. Die zweite brauchen Sie ja sowieso irgendwann. Und dann beide einspielen und dann im direkten Vergleich gegeneinander hören. Am besten noch mit einer Kontrollaufnahme wie der hier empfohlen.

Zumindest bei einem DUAL geht ein Nadelwechsel übrigens kinderleicht. Aber das steht alles in einem anderen Eintrag.


Es gibt übrigens außer Saphiren auch Diamante. Haben wir früher vermieden, weil der Diamant, angeblich, die Platte stärker verschleisst. Die Nadel hält länger, die Platte ist schneller abgenudelt.

Keine Ahnung, ob das stimmt, plausibel klingen tut's ja. Aber heute kann ich Ihnen im Brustton der Überzeugung sagen: Diamant, das ist für DJays.


Wenn Sie das gern gelesen haben, empfehlen Sie mich doch bitte einfach weiter. Ich werde gern gelesen.




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