Wenn Sie's nicht ohnehin schon ohne mich längst besser wissen, vergessen Sie einfach, was Sie meinen über "Neue Deutsche Welle" zu wissen. (Bei Extrabreit lasse ich mich da etwas näher drüber aus.)
Spliff jedenfalls, wohl mit einer großen Portion Herwig Mitteregger, das waren Virtuosen. Das Stück, was auf den Samplern der NDW und den Playlists auftaucht, "Carbonara" war eine Persiflage, ein Witz.
Und selbst das Stück klingt im Hintergrund, so schon nicht wie hohe Schule, so doch aber immerhin nach richtig solidem Handwerk. Vor allem im Vergleich zu dem künstlich generierten Schund der Wellenreiter, Fred vom Jupiter gibt Gas im Sauseschritt und so weiter.
Spliff stellte übrigens ursprünglich die Nina Hagen Band.
Die beiden legendären ersten Scheiben von Nina, die diese Wahnsinns Stimme mit denen produziert hat, gehören sicher mit zu den am besten abgemischten deutschen Rock-Scheiben der Ära.
In guten HiFi-Geschäften nutzte man damals oft die "Brothers in Arms" von Dire Straits, um dem Kunden überteuerte 3-Wege-Boxen vorzuführen. Nina Hagen wäre da musikalisch eher nicht so passend gewesen, hätte aber klang- wie abmischungstechnisch dem in nichts nachgestanden. Im Gegenteil.
Das kann ich Ihnen glaubwürdig versichern, weil ich weiß, was wir so nach Ladenschluss aufgelegt haben ...
Spliff hat dann nach der Trennung von Hagen erstmal eine weniger bekannte englischsprachige Konzept-Scheibe herausgebracht, die "Radio Show". So ähnlich wie bei der ebenfalls sehr hörenswerten "Café Passé" der Erste Allgemeine Verunsicherung wird da quasi jeder gängige Stil, alle aktuellen Themen und letztendlich das gesamte Musikbusiness in humoristischer Weise auf's Korn genommen. "Rock is a drug" finde ich nach wie vor immer wieder umwerfend, Klang, Arrangements, Abmischung.
Vom Klang und von der Abmischung her ist aber die "Herzlichen Glückwunsch" um Längen besser. Es ist eine absolut audiophile Platte.
Ich besaß die früher mal auf CD, 2001 (ein Verlag in Köln) hatte die zusammen mit der "8555" als Doppel herausgebracht. Das gab nicht viel her und war einfach nur anstrengend. Ist halt nichts zum Mitsingen sondern zum Zuhören. Von CD läuft dann eben immer und immer wieder mal Spaghetti.
Als Platte sind die, beide, so platt das jetzt auch klingen mag, Musik für meine Ohren. Besonders bei der "Herzlichen Glückwunsch" handelt es sich um ein avantgardistisches Klangkunstwerk.
Es bräuchte für musikhistorische Details jetzt einen kundigeren Menschen als mich, aber musikalisch wie aufnahmetechnisch ist diese 1982 erschienene Platte ganz sicher ein richtungsweisender Meilenstein gewesen.
Ich finde übrigens, das kann man auch als Laie jetzt noch leicht heraushören: Die klingt auch nach vierzig Jahren einfach überhaupt nicht alt.
Und wenn ich mir "Wir machen lieber die Augen zu" anhöre, sind auch die gesellschaftskritischen Untertöne alles andere als verblasst. Bei "wir feiern ein Liebesfest - und draußen ist Krieg" denke ich sofort an den ganzen pseudopolitischen Eso-Selbstoptimierungsschmuh, der derzeit so mega en-woke ist. Wie das hier zum Beispiel.
Je nachdem, wie lange und intensiv Sie sich hier auf dieser Seite rumtreiben, und wie sehr es gelingt, Sie zu animieren, sich mal zu lösen vom Gängigen und Gefälligen, diese recht günstig zu erstehende Platte in einem guten Zustand ist eine gute Möglichkeit zum Reinhören ins Feinhören. Es muss ja nun wirklich nicht gleich die Faust sein. Eine Ohrlasche und ein Spliff reichen da vielleicht ja schon, um auszusteigen aus dem Einerlei des Spotti-Brei.
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