Ich mag viel von dem, was so in den Siebzigern in Deutschland gemacht wurde und heute zu recht als Krautrock bezeichnet wird.
Wobei für mich nicht alles, was heute diese Bezeichnung führt, auch so gelabelt werden dürfte. (Mehr dazu hier.) Krautrock hat für mich zu tun mit einer bestimmten Freude am Experimentieren mit Klängen, einem unkonventionellen Vorgehen und Stückaufbau und nicht zuletzt mit immer mal wieder "schiefen" Harmonien. Krautrock ist herausfordernd.
Außerdem gehört Krautrock einer bestimmten Zeitperiode zugeordnet, und das sind die frühen Siebziger.
Weswegen ich beispielsweise Eloy, eine hochklassige Band mit leider furchtbarem Gesang, nicht dazuzählen würde. Und auch nicht die oft langweiligen und fast ausnahmslos mittelmäßig abgemischten Studioalben von Jane. (Auf der Bühne ist Jane übrigens bis heute so krautrockig, wie es nur sein kann.) Sonst ist am Ende Volker Lechtenbrink auch noch Krautrock gewesen.
Das wäre ein weiteres Kennzeichen: Krautrock, "mein" Krautrock, ist vom Klang her zeitlich schwer zuzuordnen. Man hört einer alten Deep Purple oder Bowie das Alter an und man kann die zeitlich halbwegs verorten, auch wenn man ein Stück nicht kennt. Diese Musik steht in einem Kontext, und so weit vorn gerade Deep Purple vor allem mit den ersten drei Scheiben seinerzeit gewesen ist, es ist eben jetzt ebenso weit zurückliegend. Krautrock ist da irgendwie sowas wie out of context.
Ich weiß nicht, wie nachvollziehbar mein subjektives Hören ist, aber bei David Bowie bin ich tatsächlich überzeugt, dass er Krautrock gehört und dort immer wieder Anleihen genommen hat. Sowohl die zeitlich passende "Scray Monsters" als auch die viel spätere, und auf Vinyl extrem audiophile "Earthling" zählen für mich dazu.
Die Parallelen, die ich da höre, genau in Worten zu fassen, fällt mir allerdings schwer. Ein Gesichtspunkt ist vielleicht, dass die Scheiben vom Hörerlebnis her zeitlich ebenfalls nicht so ganz leicht zu verorten sind. Aber letztendlich bin ich ja einfach nur Hörer, und da kann ich also nur sagen, wenn man ein Stück der Earthling auf einen Mix mit Krautrock platziert, passt es dort wie die Faust auf's Ohr.
Womit wir dann also wieder bei dieser sagenhaften Scheibe wären.
Offen gestanden, ich habe mir die für nicht ganz wenig Geld vor allem deswegen zugelegt, weil ich die für ein Designwunder halte, was für mich ins Vinylmuseum gehört.
Das ist doch wirklich sagenhaft: Klares Vinyl in einer durchsichtigen Hülle mit einer durchsichtigen Textbeilage. Das war ja technisch in der Zeit alles sehr aufwändig, alles Sonderanfertigung in Kleinstauflage, also kostspielig. Und dann noch die Label, die in der Originalausgabe wohl gestanzten Text haben.
Da war schon kurios, dass ich diese hier und die zweite, zu der Zeit die einzig erhältliche mit allen neun Bildern, die "So far", tatsächlich aus Russland bezogen habe. Beide in fast makellosem Zustand übrigens.
Hätte ich genug Phantasie, daraus würde so eine dieser Vinylgeschichten, wo die Platte dann erzählt, wie sie denn dorthin gekommen ist ...!
Zur Musik, ach, was soll ich Ihnen denn dazu sagen?
Dass Sie die nicht auf Youtube hören können. Es sind die Klänge, die das Werk faszinierend machen, und die sind nur auf der Platte.
Als Konzept handelt es sich für mich um eine Art Theaterstück. Ganz offenbar findet da etwas auf einer Bühne statt, es sind viele Geräusche eingearbeitet und auch viele Menschen anwesend. Man kann, so erlebe ich das, sozusagen auch die Statisten "hören", irgendwie entstehen im Kopf traumartige Bilder. Der Raumklang ist überwältigend, und also wohl die Abnahme und die Abmischung.
Diese Scheibe gehört wahrlich nicht zu den Platten, die man mal eben so auflegt und im Hintergrund dudeln lässt. Entweder man hat die Muße und setzt sich davor wie in eine Loge im Theater und "schaut" zu, oder man lässt es besser gleich sein.
Faust ist übrigens auch jetzt noch aktiv. Ich stelle hier auch die Something Dirty vor, aber auch die Just us ist großartig.
Für mich ist deren Arbeit in gewisser Hinsicht vergleichbar mit der ersten Kraftwerk: die Musik ist oft nur wie angedeutet, der Zuhörer ist gefordert, aktiv zu ergänzen.
Das ist für viele sicher anstrengend. Und genial. Zumindest für mich, solche Musik macht nämlich bei mir etwas Entspannendes: Mein Gehirn ist so damit beschäftigt, dem überhaupt zu folgen, die gesamte Rechenleistung wird dazu benötigt, so dass kein Raum mehr bleibt für einen einzigen anderen Gedanken. Das erlebe ich selten, und für mich ist das sozusagen meditativ.
Ich bin bei dieser Scheibe recht überzeugt davon, dass sich davon keine später remasterte Version lohnt. Da müsste ein virtuoser Toningeniuer am Werk gewesen sein.
Wobei ich von der neu aufgelegten Scheibe mit Tony Conrad vom Klang her übrigens recht begeistert bin, von der ich leider das Original (noch) nie hören konnte.
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