Die habe ich damals als CD schon sehr gemocht, es ist musikalisch eine ultra-spannende Scheibe. Nicht einfach, nicht gefällig, aber genial. Der Zeit weit voraus.
Jetzt, wo ich die mir also für viel Geld originalverpackt nachgekauft habe, kann ich Ihnen versichern, dass die für Vinyl gemacht wurde. Das ist ein unvergessliches Klangerlebnis.
Wenn Sie denken, Sie kennen die, weil Sie die auf CD gehört haben oder weil Sie die als Stream kennen, nein, kennen Sie nicht.
Und ich erkläre gleich auch ein bisschen, warum nicht.
Wenn Sie mit der Musik etwas anfangen können und über das nötige Kleingeld verfügen, dann empfehle ich die Ihnen mit drei Ausrufezeichen!!!
Und wenn Sie wie ich von der musikalischen Orientierung her sowas wie ein Krautrocker sind, dann ist diese Scheibe aus meiner Sicht ein Muss. Die Anleihen sind für mich unverkennbar.
Ach, hätte doch der Conny Plank, einer der ganz wichtigen Toningenieurs-Götter den Bowie angenommen, als der 1976 in seinem Studio die "Low" aufnehmen wollte ...!
Aber, der Reihe nach:
1. Im krassen Gegensatz zur musikalisch ebenso beeindruckenden, wenn auch deutlich gefälligeren letzten Scheibe des Meisters, der "Blackstar", ist die Pressung ganz vorzüglich. (Da die noch aus den Neunzigern stammt, hat mich das gefreut wie verwundert.)
Das ist wichtig, wenn man ernsthaft überlegt, über 100 Euro für eine Scheibe in einem vernünftigen Zustand hinzublättern.
2. Abgesehen vom bekannten Unterschied der Klangqualität gibt es hier im Vergleich zur CD eine bemerkenswerte Besonderheit:
Die CD ist anders abgemischt!
Das kennen wir natürlich von später "remasterten" Scheiben wie beispielsweise Queens "Night at the Opera", aber im Gegensatz dazu sind hier ja die CD und Schallplatte ja zeitgleich erschienen!
Man hat also ganz offenbar eine Abmsichung fürs Volk gemacht, die CD, und eine, die so klingt, wie es der Künstler wohl gewollt hat. Ich kenne bisher kein anderes Beispiel, aber der Unterschied ist frappierend. Auf der CD ist Bowie durchgängig weit vorn, irgendwo im Hintergrund gibt es, eben, Backgroundstimmen. Auf der Platte sind die Stimmen mitunter miteinander verwoben wie bei einem Duett.
Mich hat diese Erkenntnis offen gestanden richtig stark irritiert.
3. Dadurch klingt die CD etwas sperrig, bisweilen gar krachig.
Auf der Schallplatte hingegen erkennt man die Glanzleistung Bowies, die sich durch die meisten seiner Werke wie ein roter Faden zieht:
Das Hören-Können komplexer Harmonien. Als Laie kann ich das nicht besser audrücken. Ich meine, wenn also ein disharmonischer Klangteppich kombiniert mit einer dazu disharmonisch singenden Stimme ein harmonisches Ganzes ergibt.
Etwa so wie bei der richtigen Version des "Alabama Songs" von Kurt Weill.
Dieses Phänomen ist übrigens auch sehr deutlich zu hören auf der "Scary Monsters", die ich von den früheren Platten für seine Beste halte.
In einer Biographie Bowies wurde der Gitarrist interviewt.
Sinngemäß erzählte er: "Wir bekamen die Partituren und übten die Stücke ein, bis wir uns einig waren, dass er dieses Mal ganz offensichtlich durchgeknallt war. Das Problem war, wer sagt es ihm, dass es einfach Mist ist?"
Diese Rolle fiel dem Gitarristen zu. Wohl etwas vorsichtig versuchte er Bowie, als der ins Studio kam, schonend beizubringen, dass die Band diese Stücke für misslungen hielt.
Bowies Antwort: "Wait until I sing."
Und recht hatte er!
Kurzum, die Earthling ist ein absolu tes Meisterwerk. Auch von den Arrangements und der Verwendung der Instrumente her.
Und irgendwie muss ich da unwilkürlich gleich an eine zu empfehlende Neuerscheinung denken, die "Sweet Chariot" von Earthling Society. Eine der ganz wenigen neuen Platten, die für mich das Label "psychedelische Musik" tatsächlich verdient.
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